Virtuelles Zeichnen / Journaling in Zeiten von Corona

Aufgrund der Ausgangssperren überall auf der Welt können sich die Urban Sketchers nicht mehr zu realen Treffen zusammenfinden. Jetzt eröffnet virtuelles Zeichnen eine völlig neue Welt.

Das Manifest der Urban Sketchers besagt, dass Zeichnungen vor Ort entstehen müssen, nur dann ist es ein “Urban Sketch”. Daher hat sich in Sozialen Medien auch der neue Name und Hashtag #VirtualSketch etabliert.

Diesen Blogbeitrag schreibe ich am 19. April 2020.

Interieur- und Garten-Zeichnungen im Lockdown

Nachdem überall auf der Welt erstmal der Schock des Lockdown einigermaßen überwunden war, haben die Urban Sketchers schnell losgelegt. Zuerst waren enorm viele Interieur-Zeichnungen aus Küchen, Wohnzimmern und Kinderzimmern zu sehen. Die eigenen Gärten, Scheunen und Werkzeuge wurden festgehalten. Ich habe eine witzige Einladung von einer Freundin bekommen: “Wir fahren weg und ihr könnt unseren Garten nutzen.”

Virtuelles Zeichnen dank Digitalisierung

Und dann kamen ganz schnell die fantastischen Möglichkeiten aus der digitalen Welt. Z. B. virtuelle Meetings und Zeichnen mit Google Street View. Die Urban Sketchers sind sehr gut vernetzt über Facebook. So haben sich ganz schnell Mitglieder aus alten und neue Gruppen zusammengefunden.

Augsburger “Drink & Draw” momentan virtuell

Bei den Urban Sketchers Augsburg gibt es in der Regel zwei Termine im Monat. Ein gemeinsamer Zeichentreff irgendwo in der Stadt, ein Museum, eine technische Anlage, eine belebte Straße, die Fuggerei oder sonstiges.
Und es gibt den Termin “Drink & Draw”, auch hier schon beschrieben. Dabei trifft man sich in einer Kneipe oder im Biergarten und die Teilnehmer zeichnen sich gegenseitig.

Joachim hat vor 3 Wochen einen Testtermin für Zoom gemacht. Inzwischen haben wir 2 Zeichentermine über Zoom abgehalten. Das ist erstaunlich produktiv und macht sehr viel Spaß. Der Umgang mit Zoom ist einfach. Bei mir ist es gerade etwas komplexer, weil die Webcam im Notebook nicht mehr funktioniert. So arbeite ich mit Notebook, damit ich die anderen Teilnehmer in vernünftiger Größe sehe und habe noch das Handy als Kamera dabei, damit mich die anderen auch sehen können.

Nachdem das deutschlandweite Treffen der Urban Sketchers letztes Jahr in Augsburg stattgefunden hat, ist die Facebookgruppe USK Augsburg relativ groß. Die Einladungen gehen an einen größeren Verteiler und plötzlich nehmen am Augsburger “Drink & Draw” auch Freunde aus der Schweiz und ganz Deutschland teil. Das ist großartig und sehr spannend. Ohne die Coronakrise hätte sich das nicht oder nicht so schnell entwickelt.

Weltweiter #VirtualSketch

Eine faszinierende Möglichkeit zum virtuellen Zeichnen ergibt sich über Google Street View. In Facebook hat sich eine internationale Gruppe #VirtualSketch mit fast 1500 Teilnehmern gebildet. Hier gibt es nahezu täglich gemeinsame Sketchwalks irgendwo auf der Welt. Aktuell sehen die Termine so aus:

  • New York Times Squarre: Virtual Sketch
  • Virtual boat trip in Venice, Italy
  • Sultan Ahmed Mosque in Istanbul: Virtual trip
  • Colmar, France: Virtual Sketch Crawl

Die einladende Person sucht einen gut geeigneten Link zu Google Street View mit einer 360° Ansicht. Der Link mit dem genauen Termin wird gepostet, alle können zur gleichen Zeit (falls die Zeitverschiebung das mitmacht) zeichnen, ihre Bilder in die Gruppe einstellen und diskutieren. Hier ist es besser mit einem PC zu arbeiten, auf Tablet und Handy sind die Möglichkeiten von Google Street View eingeschränkt. In diesem Youtube-Video wird das Arbeiten mit Google Street View erklärt.

Virtuelles Zeichnen bei den New Yorker Urban Sketchers

New York City ist besonders schwer von der Pandemie betroffen. Dafür sind die New Yorker Urban Sketchers eine besonders freundliche Facebook-Gruppe und es sogar für mich tröstlich zu sehen, wieviel Unterstützung und Zuspruch sich die Mitglieder gegenseitig geben. Und wieviel Witz trotz der angespannten Situation in den Kommentaren auftaucht.

Aktuell werden die Termine in der Gruppe hauptsächlich von Mark Leibowitz gemanagt. Alle 14 Tage findet am Wochenende ein ganztägiger Termin statt. In New York geht es um 10 Uhr los, hier in Deutschland entsprechend dann 16 Uhr. Mark gibt ein Thema für den Vormittag und nach der Mittagspause ein Thema für den Nachmittag vor. Das ist kein Urban Sketchen, aber eine lehrreiche Art, zusammen zu zeichnen und von anderen zu lernen.

Mark Leibowittz fighting against Corona virus
Mark Leibowitz koordiniert momentan die USK NYC, mit freundlicher Genehmigung

Bei meiner ersten Teilnahme war am Vormittag das Thema: “Lieblingsort, den man gern wieder besuchen möchte”. Über Google Street View sollte der Ort aufgesucht und mit der 360° Ansicht eine geeignete Szene ausgewählt werden. Ich war noch nie in New York, möchte da aber gern mal hin und habe mir eine Straßenszene in der Clinton Street ausgesucht. Dazu bin ich in Google Street View spazieren gegangen und habe mir eine schöne Ansicht ausgewählt.

Am Nachmittag kam eine Zeitdimension hinzu. Eine Reise in die Vergangenheit oder Zukunft. Ich habe eine Reise in die Schattenwelt gewählt.

Für die Wochentage können die Mitglieder Vorschläge einreichen, das Thema gilt dann mehrere Tage. Hier wird die Trauer und Belastung der New Yorker sichtbar.
Diese Woche ist das Thema Laufen zur Erinnerung an einen gesunden, 51-jährigen Amerikaner gewählt, der an Covid19 verstorben ist. Er war aktiver Läufer und hat an 87 Marathons auf allen Kontinenten teilgenommen.

Pandemic Journal von Cathy Johnson

Ich bin ein Riesenfan von Cathy. In einem anderen Beitrag habe ich schon über ihre Journals geschrieben. Jetzt führt sie ein Pandemic-Journal und findet: “…it very therapeutic to keep this journal…”.

Pandemic-Journal Cathy Johnson
Pandemic-Journal Cathy Johnson, mit freundlicher Genehmigung

Bei kreativer Arbeit bleibt kein Platz für Sorgen. All die schwierigen Themen – Gesundheit, Einkommen, Zukunft – sind eine Zeit lang ausgeblendet. Wenn es dann noch gelingt, in den Flow zu kommen, hat das sehr positive Auswirkungen auf Körper und Psyche.

Mit Sicherheit ist es auch sehr spannend, in einigen Jahren zurück zu schauen:

  • was hat mich in dieser schwierigen Zeit bewegt,
  • worauf habe ich mein Augenmerk gelegt
  • und welche Gedanken sind mir durch den Kopf gegangen.

Es ist auch hilfreich, diese Dinge in positiven Netzwerken zu teilen, Feedback zu bekommen und selbst zu geben.

Physical distancing bei den Urban Sketchers

Der Begriff “physical distancing” passt besser als “social distancing”. Trotz all der schlimmen Entwicklungen im Moment überall auf der Welt gibt es innerhalb der Urban Sketchers viel Unterstützung, Zuspruch und gemeinsame Aktivitäten. Die sozialen Aktivitäten haben zugenommen – nicht abgenommen! – wenn auch auf virtuelle Art und Weise.

Stay safe & healthy!

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